Metal
Slug 3 - Sony Playstation 2
Gestern
hatte ich seit langem mal wieder das Vergnügen unseren
Allgemeinarzt besuchen zu dürfen (der Grund spielt
hier keine Rolle
). Nun ist es ein offenes Geheimnis,
dass das entsprechende Wartezimmer gerne von älteren
Damen als Pendant zum Stammtisch ihrer Gatten missbraucht
wird. So sitze ich also scheinbar vertieft in einen Spiegel
von anno dazumal eineinhalb Stunden in dieser Damenrunde,
und darf mir anhören wie furchtbar schlecht die Welt
doch ist. Die beliebteste These neben "der Euro macht
alles teurer" und "die Jugend von heute ist von
Grund auf verdorben" ist "früher war alles
besser". So schwachsinnig diese Behauptung aufgrund
von Hunger, Dreck und Armut in der "guten alten Zeit"
auch sein mag, bezogen auf Videospiele findet sie zumindest
teilweise meine Zustimmung. Auch wenn manche Perlen 733mhz
oder Dual Shock rechtfertigen, wünscht man sich gelegentlich
in die Zeit ohne Tony Hawk, EA Big oder die dritte Dimension
zurück. Eine Firma die diesen Wunsch seit nunmehr 13
Jahren konsequent umsetzt, ist SNK (bzw. SNKPlaymore). Fernab
von Filmlizenz oder Polygon liefern die Jungs aus Osaka
traditionelles Gameplay in Perfektion. Eines ihrer größten
Meisterwerke wurde vor einigen Monaten auf die PS2 portiert,
und landete nach einigen Scherereien (THX @ SCEE, gut zu
wissen, was ihr von eurer zahlenden Kundschaft haltet) auch
in meinem Laufwerk: METAL SLUG 3.
HART
ABER HERZLICH
So,
nach dieser an den Haaren herbeigezogenen, viel zu langen
und völlig überflüssigen Einleitung kommen
wir jetzt zum Game selbst. Für die 0,01% unter euch,
die noch nie einen Teil der Metal Slug Reihe gezockt haben
(euch wird hiermit die Bezeichnung "Videospieler"
aberkannt) gibt`s erst mal ein paar allgemeine Informationen
zum Spiel: Metal Slug 3 ist nach MS 1,2 und X der vierte
Teil der Reihe, die 1996 in den Spielhallen debütierte.
Die unglaublich detailverliebte Grafik, das cartoonige Kriegsszenario
und das eingängige Gameplay kamen bei den Spielern
derart gut an, das heute bereits an einem sechsten Teil
("MS5") gewerkelt wird. Übrigens immer noch
für die 16bit NeoGeo Hardware.
Das Grundprinzip von Metal Slug 3 blieb gegenüber seinen
Vorgängern unverändert und verspricht Action pur:
Als einer von vier Söldnern (zweimal männlich,
zweimal weiblich) ballert ihr euch von links nach rechts
durch Unmengen freakiger Widersacher, missbraucht allerlei
feindliches Kriegsgerät und sammelt reihenweise fette
Wummen ein. Außerdem wartet am Ende aller fünf
Stages ein bildschirmfüllender Boss auf eine ordentliche
Abreibung. Das Gameplay wurde dabei betont schlicht gehalten:
neben dem Steuerkreuz ermöglichen euch lediglich drei
weitere Buttons (plus Startbutton) zu springen, zu feuern
und Granaten abzuwerfen. Das hat zur Folge dass das Spiel
nicht nur extrem schnell verinnerlicht ist, sondern auch
hauptsächlich die grundsätzlichsten Zockertugenden
anspricht: starke Nerven und blitzschnelle Reflexe sind
eure virtuelle Lebensversicherung. Übrigens ist das
Spiel auch ohne diese Tugenden zu schaffen, denn euch stehen
großzügigerweise unendlich Continues zur Verfügung.
Wer allerdings auch beim fünften Anlauf noch mehr als
20 Continues verbraucht, sollte sich ernsthaft überlegen
ob eine Runde Neo Turf Masters nicht doch das Richtige für
ihn wäre
Beim
Szenario setzt Metal Slug 3 die von seinem Vorgänger
eingeschlagene Richtung konsequent fort, und bewegt sich
weiter in Richtung "Flora und Fauna". So werdet
ihr während eurer Odyssee unter anderem auf Krebse,
Piranhas, fleischfressende Pflanzen oder Schnecken treffen.
Leider müsst ihr deshalb weitestgehend auf die herrlichen
Zerstörungsorgien verzichten, mit denen ihr früher
ganze Städte in Schutt und Asche gelegt habt. Meiner
Meinung nach wurde uns hier ein einzigartiges Merkmal der
Reihe vorenthalten, denn das Zerlegen kompletter Wohnkomplexe
auf der Suche nach Boni war doch ein echter Funfaktor
METAL
SLUG 3 REISEFÜHRER: Es
folgt eine kleine Zusammenfassung der einzelnen Stages und
ihrer Bosse. Wer sich unbedingt die Spannung erhalten möchte
kann den Abschnitt ja überspringen, aber zum einen
gebe ich nur einen groben Überblick und zum anderen
habt ihr nach einer guten Stunde Spielzeit auch das Meiste
gesehen. Gleich zu Beginn der ersten Stage säubert
ihr einen Strand von aggressiven Krebsen und trefft auf
die größte Neuerung im Metal Slug Universum:
euer Pfad verläuft nicht mehr strikt linear, sondern
Verzweigt sich während des Levels mehrmals. So bestreitet
ihr wahlweise eine U-Boot Fahrt, säubert auf einem
Fischkutter den Fluss oder legt euch mit aggressiven Riesenkrebsen
an. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei keinesfalls immer gleich,
sondern stellt euch je nach gewählter Route vor unterschiedlich
große Herausforderungen. Die anfänglichen Längen
im Gameplay werden von der coolen U-Boot Fahrt und dem wohl
fettesten Endboss der Metal Slug Geschichte wieder ausgeglichen.
Das zweite Level schockt euch mit einem Szenariowechsel,
wie er heftiger kaum sein könnte: vom sonnigen Strand
geht's in einen stockdunklen, zombieverseuchten Wald. Leider
sorgt das träge Verhalten der Untoten und ihre unwahrscheinlich
hohe Schussresistenz für einigen Metal Slug untypischen
Leerlauf, bei dem ihr einfach nur dasteht und auf der Feuertaste
rumhämmert um einen Zombie nach dem anderen mühsam
niederzuringen. Dafür sind aber deren Angriffsvarianten
eine echte Augenweide: macht euch unter anderem auf herausgerissene
Därme und berstende Brustkörbe gefasst. Hier begegnen
euch übrigens auch das erste Mal die liebgewonnenen
grünen Soldaten in all ihrer Unfähigkeit ;-).
Den finalen Boss würde ich als
na ja
"ungewöhnlich"
bezeichnen. Die Kombination aus Alienkreisel und Felsbrocken
schleuderndem
Dings, ist schnell besiegt und verabschiedet
sich enttäuschend unspektakulär.
Das dritte Level führt euch unter Wasser. Zwar lässt
sich ein Großteil auch an der frischen Luft verbringen
(inklusive Strauss-Slug), allerdings ist die U-Boot Variante
die einfachere Alternative. Nachdem ihr euch durch die wunderschöne
Meerwelt geschlagen habt, dringt ihr noch in einen Fabrikkomplex
ein, und vernichtet mit dem sehr coolen, riesigen Spielzeugroboter
den spielerisch besten Boss des Spiels.
Die
vierte Stage beginnt extrem konservativ in bester MS Tradition:
auf einem Kamel geht`s gegen Unmengen anstürmender
Grünhelme, Flugzeuge, Helikopter und Panzer. Wenn auch
grafisch eher unspektakulär, ist diese doch die coolste
Stelle im Spiel. Das liegt daran, dass ihr hier mit einer
Vielzahl verschiedener Angriffsmuster klarkommen müsst.
Und wenn man einmal auf einen Helikopter feuernd, unter
einer Granate wegtauchend einen feindlichen Panzer mit Granaten
gefüttert hat, dann weiß man was Herzklopfen
bedeutet. Danach spaltet sich die Stage in drei Routen auf,
wobei eine durch ein unterirdisches Versteck japanischer
WWII Veteranen führt, die mit ihren Kamikazeeinlagen
und Panzerattrappen für einige Lacher sorgen. Eine
andere Route führt durch eine Madenkolonie, in der
ihr auf den ekligsten Gegner des Spiels trefft: Angelehnt
an den Brainbug aus Starship Troopers versprüht die
Riesenmade ihre Innereien über den ganzen Bildschirm,
wenn ihr ihr mit dem Drill Slug ein Loch ins Hirn gebohrt
habt. Was noch? Ach ja, der Boss: nur mittelprächtig
animiert und mit langweiligen, teils unfairen Angriffsvarianten.
Das fünfte und letzte Level sprengt mit seinem Umfang
und seinen Unzähligen Szenariowechseln alles bisher
dagewesene. Von packenden Luftschlachten, einem Showdown
mit General Morden (?), einer Jagd durchs All, einem Kampf
mit Doppelgängern bis zu Gefechten mit riesigen Metallspinnen
ist alles dabei. Leider wird das Gameplay dem bombastischen
Drumherum nicht ganz gerecht. Die Jagd durchs Weltall verkommt
zu einer langwierigen Ballerorgie mit immergleichen Hintergründen
und Angriffsroutinen. Im Alienraumschiff angekommen sorgen
z.B. die Schockringe schleudernden Hirnpanzer aber wieder
für Abwechslung. Eine Riesenenttäuschung sind
dann aber wieder die beiden Alienbosse, die es zu besiegen
gilt. Mit je nur zwei (!) Angriffsvarianten stellen sie
wohl den Minusrekord in der Geschichte von Metalslug dar.
Nach
gut einer Stunde ist der Spaß dann auch schon für`s
erste vorbei, aber wie bei den meisten Arcadetiteln liegt
der Reiz auch hier darin, Stück für Stück
die Angriffsvarianten eurer Gegner Auswendigzulernen, und
das Spiel mit möglichst wenigen Credits zu schaffen.
TECHNISCHES: Zwar
werden Spieler, die erst mit der PSOne Ära eingestiegen
sind einen echten Kulturschock erleiden, für Bitmapfans
ist MS3 aber ein absolutes Fest. Obwohl sich oft unzählige
Objekte in unvergleichlicher Detailverliebtheit vor herrlichen
Hintergründen tummeln, bleiben Animationen und Scrolling
jederzeit superflüssig. Noch beeindruckender als die
technische Brillanz ist allerdings das künstlerische
Niveau: Lieblos hingerotzte Standardanimationen gibt es
nicht, jedes noch so unwichtige Objekt ist mit liebevollen
Details vollgestopft. Das führt dazu, dass euch auch
beim zehnten Durchspielen noch Kleinigkeiten auffallen,
die zum Schmunzeln anregen. Dazu kommt noch der unvergleichliche
Cartoonstil, der der Reihe seit ihrem Debüt einen einzigartigen
Charme verleiht. Soundtechnisch wird wieder die bekannte
Kombination aus treibenden Militärtracks und extrem
brachialen SFX geboten. Bei der Detonation eines Panzers
könnt ihr förmlich den berstenden Stahl hören,
und die panischen Schmerzensschreie feindlicher Soldaten
gehen durch Mark und Bein.
Die
Portierung auf die PS2 lässt kaum Gründe zu meckern.
Zwar haben die Farben ein kleines bisschen an Brillanz verloren,
Slowdowns oder niedriger aufgelöste Sprites lassen
sich aber zum Glück nicht ausmachen (wäre ja auch
ein ziemliches Armmutszeugnis für die PS2). Die beiden
zusätzlichen Spielmodi sind übrigens genauso uninspiriert
wie langweilig. Unterm Strich bleibt also eine Umsetzung,
die den NeoGeo Klassiker auch kleineren Geldbeuteln originalgetreu
zugänglich macht. Nicht mehr und nicht weniger.
FINAL
STAGE: Alles in allem wurde Metal Slug 3 den Erwartungen
voll gerecht. Importfreunde bekommen eine spielerisch puristische,
eingängige Ballerorgie der alten Schule die immer wieder
für eine Runde kurzweiliges Geballer alleine oder zu
zweit gut ist. Das Setting mag vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig
sein, aber stilistisch ist es sicher über allen Zweifel
erhaben. Der im Vergleich zu den Vorgängern deutlich
höhere Schwierigkeitsgrad zerrt anfangs ziemlich am
Nervengerüst, sorgt aber auch dafür, dass das
Spiel auch nach dem zehnten Durchspielen noch eine Herausforderung
darstellt. Technisch wird das Beste geboten, was das Neo
Geo (Giga powered) zu bieten hat. Gerade Leute, die die
Qualität eines Spieles am Polygoncount festmachen,
sollten mal ausprobieren wie viel Spaß ein Lo-Res
Game machen kann. Kurzum: Metal Slug 3 ist klassisches Arcade
Gaming in bester SNK Tradition.
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©
2003 Verfasser: kim jae hoon
Gewidmet Ada Li von Liksang.com ;-)
exklusiv für
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