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Sega Dreamcast - F355 Challenge


Wer hat nicht schon einmal heimlich in seinem zehn Jahre alten Polo bei nächtlicher Fahrt auf der Autobahn davon geträumt, seine rostigen Zündschlüssel gegen die eines knallroten Ferraris tauschen zu können. 3,5 Liter Hubraum, 380 PS geballte Motorenpower, 8 Zylinder, von 0 auf 100 in 4,6 Sekunden - das erwartet euch, wenn ihr in einen F355 steigt und das Gaspedal durchtretet. Mit großer Spannung und einem eigens für den Test neu gekauften Lenkrad werfe ich die GD in meinen Dreamcast. Was mich im Hauptmenü erwartet, sind die heißesten Motorensounds, die jemals den Weg in ein Videospiel gefunden haben... Neugierig geworden? Dann hilft nur eins: weiterlesen!

 

Realismus pur
Ehrlich gesagt, viel hatte ich mir von der Arcadeumsetzung ja nicht erwartet. Klar, der spektakuläre Spielhallen-Automat hatte es mir vor einigen Monaten definitiv angetan, doch im Gegensatz zu diesem bietet euch Dreamcast keine Kupplung, Fahrerkanzel, gleich drei Monitore (Windschutzscheibe und die beiden Seitenfenster!!!) und all die Dinge, die die Herzen der Spielhallenjunkies höher schlagen lassen. Doch weit gefehlt, mit Stolz kann der Meister persönlich - Yu Suzuki - von sich behaupten, den ersten absolut realistischen Autorennspiel-Simulator geschaffen zu haben. Hier trennt sich dann schnell die Spreu vom Weizen und ein eingespielter F355-Zocker wird unter Garantie jeden Newbie haushoch schlagen. Doch fangen wir am besten erst Mal von vorne an:
Als ich, wie gesagt vom Motorengeheul beinahe erschlagen, mich nach dem ersten Start in den Arcade-Mode geworfen hatte, war ich erst mal überrascht. Denn selbst nach ein paar Rennen fuhr ich immer noch stets als Letzter über die Ziellinie, obwohl ich hätte schwören können, relativ gut gefahren zu sein. Sind die Gegner so gut oder liegt es tatsächlich an mir? Beides ist der Fall! Vom Schwierigkeitsgrad her hat man selten solch einen harten Brocken vorgesetzt bekommen. Die Gegner fahren relativ sicher und geschickt um die Kurven - perfekt, wie man anfangs vielleicht denken mag. Und dass man selbst bei jedem Rennen von ganz hinten starten muss, gestaltet die Aussichten für den Spieler auch nicht gerade rosiger. Aber wir wollen den Kopf nicht gleich in den Sand stecken und ein übereifriger (grins...) Tester muss da ohnehin durch. Also heißt es üben, üben, üben. Und hier steckt das große Potenzial von F355, was auch vollends von den Programmierern rund um Masterbrain Suzuki ausgeschöpft wurde. Das Spiel hat eine perfekt ausbalancierte Lernkurve. Während man anfangs nur den Kopf schüttelt, entflammen nach ein paar harten Tagen bereits die heißesten Gefechte mit den CPU-Fahrern. Der kleinste Fehler kann ein Rennen entscheiden und der Spieler muss stets nach kleineren Missgeschicken der von Beginn an vorne liegenden gegnerischen Boliden achten um dann sofort entschlossen zu handeln. Da beschleunigt mal ein Fahrer nicht mit dem Optimum aus der Kurve und eine Runde später kollidieren hier zwei andere.
Um den Realismus noch zu unterstreichen, steht euch im Spiel nur die Cockpit-Perspektive zu Auswahl, eine Außenansicht gibt es also demnach nicht. Doch wer das Spiel gespielt hat, kann mit Sicherheit bezeugen, dass eine Außenansicht bei diesem Spiel überflüssig wäre. Tja, und ihr dachtet, Gran Turismo oder Sega GT sei realistisch?

In was F355 jedoch ohne den geringsten Zweifel wie kein anderes Spiel überzeugen kann, ist das Gameplay. Grundsätzlich ist natürlich klar, dass ein Lenkrad für die bislang realistischste Simulation eigentlich Pflicht ist.

 

Sicher kann man es auch mit dem Pad spielen, gerade bei Mehrspieler-Partien wird das wohl meist der Fall sein, aber dies stellt sich als deutlich schwieriger heraus. Man kann in den Kurven einfach nur schwer das nötige Feingefühl in den Analog-Stick legen und driftet so oft ungewollt durch die Kurven. Viel einfacher stellt sich die Steuerung also mit einem Lenkrad heraus und es macht selbstverständlich auch merkbar mehr Spaß. Es ist ohnehin schon mit Racing-Wheel kompliziert genug, in den unterschiedlichen Kurven den idealen Einschlagwinkel und die perfekte Beschleunigung bzw. Bremsstärke zu bestimmen. Mit Pad ist es zwar bei weitem kein Ding der Unmöglichkeit, aber es braucht mehr Übung und ist einfach nicht mehr wirklich realistisch, wie es sich eigentlich für das Spiel gehört.
Perfektionismus ist auch das, was letztendlich von euch während des Rennens erwartet wird. Ihr seid immer damit beschäftigt, den idealen Bremspunkt zu bestimmen, um das Maximale aus jeder Kurve herauszuholen. Der Bremsweg ist ebenfalls realistisch berechnet und ihr könnt euch sicher vorstellen, dass ein Ferrari nicht gleich beim Tritt auf die Bremse zum Stillstand kommt.
Um ein wirklich realistisches Fahrgefühl zu erzeugen, haben die Designer eng mit dem Ferrari-Team zusammen gearbeitet, sich selbst in die sündhaft teuren Wagen gesetzt und allerlei Telemetrie-Daten mit ins Spiel eingebaut und umgerechnet. Wundert euch also nicht, wenn ihr die Zentrifugal-Kraft in scharfen Kurven auch am ganzen Körper zu spüren bekommt.

Um Anfängern den Einstieg ins Spiel etwas einfacher zu gestalten, kann der Zocker vor Rennbeginn auswählen, ob er mehr oder weniger "Hilfen" aktiviert haben will. Hier sollte man sich langsam heranarbeiten und herumexperimentieren, wobei ein Sieg nahezu unmöglich ist, wenn jemand auf die absurde Idee kommen sollte, komplett ohne Hilfen zu spielen. Im Spiel eingebaut sind:

Die Spielhilfen:

SC (Stabilisierungs-Kontrolle): Diese Funktion erleichtert euch die Kontrolle eures Ferraris in den Kurven.
TC (Traktions-Kontrolle): Vermindert das Durchdrehen der Räder.
ABS (Anti-Blockier-System): Ermöglicht kontrolliertes Lenken während des Bremsvorgangs.
IBS (Intelligentes Brems-System): Das Bremsen wird hier vom Fahrzeug automatisch übernommen und klappt recht zuverlässig, macht aber eher weniger Spaß.

Außerdem lege ich euch ans Herz, die Schaltung selbst zu übernehmen. Und bevor jetzt einige aufschreien, ich selbst habe noch nie zuvor in einem Autorennspiel selbst geschaltet und die Sache immer automatisieren lassen. Jedoch macht bei dieser Simulation das Schalten schon einen nicht unerheblichen Teil des Spielspaßes aus und gehört einfach dazu.

Originalstrecken
Sega hat für F355 Challenge nicht nur den passenden roten Flitzer, sondern auch 11 Originalstrecken lizenziert. Darunter sind legendäre Pisten wie der Nürburgring, Laguna Seca, Monza oder Suzuka, die wirklich auch alle bis in den kleinsten Winkel originalgetreu nachgebildet wurden und im Spieler sofort das alte Gefühl aufkommt "Hey, die Kurve kenn' ich doch!".
An Modi stehen euch neben dem aus der Spielhalle bekannten Arcade-Mode, noch Championchip (6 Rennen in Folge - leider ohne Qualifying), Single Play (wie Arcade, jedoch ohne Zeitlimit und Wagen-Modifikationen können vorgenommen werden), Versus Play (Mehrspieler - Screen wird horizontal geteilt und grafisch müssen keine Abspeckungen in Kauf genommen werden), Cable Versus Play (Mehrspieler per Linkkabel) zur Auswahl. Anfangs findet ihr allerdings nur 6 Strecken im Menü vor, die anderen müssen erst noch freigeschaltet werden.
Sicher ist auf alle Fälle, dass die Strecken sich selbst nach langer Spielzeit nicht als langweilig herausstellen und ihr mit jeder einzelnen mehrere Stunden lang Spaß haben werdet. Wie gesagt: Erst die Kurvenführung einstudieren und dann richtig loslegen. Üben könnt ihr das relativ leicht vor den Rennen im "Training", wo euch eine rote Linie und ein Sprecher zeigen, wo ihr fahren und schalten solltet und wann ihr am besten den Bleifuß löst und dieses, in vielen Rennspielen vernachlässigte, Ding mit den Namen "Bremse" einsetzt.

Wie es sich für eine Simulation gehört, ist auch die Grafik recht ordentlich gelungen. Recht ordentlich? Oh nein, sie ist nahezu genial! Während unserer gesamten Testphase trat nicht ein einziges Mal (!!!) auch nur ein Baby-Slowdown auf und das bei kaum ausmachbaren Pop-Ups und keinem Nebel. Das Spiel macht nicht einmal Murren, wenn sich fünf oder mehr der sehr real und plastisch wirkenden Fahrzeuge auf einmal auf dem Screen befinden. Diese sind bis ins kleinste Detail modelliert worden und können mehr als nur überzeugen. Das erste Mal hat man wirklich das Gefühl, richtige Boliden vor sich stehen zu haben und nicht einfach nur "Rennwagen in einem Videospiel"...
Je nach Wetterlage ist die Umgebung in ein unterschiedliches Flair getaucht. Ihr erlebt so einige der schönsten Sonnenaufgänge und... ehem... Gewitterwolken seit langem. Leider sind die Wattebauschen am Himmel nicht animiert und hier haben wir auch schon meinen einzigen Kritikpunkt an der Optik: Ihr findet im Spiel bis auf ein paar Streckenposten so gut wie keine animierten Objekte. Oft wirkt deshalb alles etwas starr, obwohl selbst an liebevolle Details wie etwa das Riesenrad bei Suzuka gedacht wurde. Auch halbwegs akzeptable Zuschauer wären nett gewesen. Nun ja, mal kann nicht alles haben!


Noch ein bisschen mehr meckern?
Nein, nicht wirklich! Aufgefallen ist mir noch, dass die Fahrt der CPU-Fahrer weitgehend vorberechnet ist, solange der Spieler nicht "eingreift". D.h. dass eure Vordermänner meist genau den gleichen Pfaden folgen werden und auch genau an der selben Stelle genau den selben Fehler begehen. Kollidiert ihr einmal mit einem anderen Wagen, wird dieser von seiner "Schiene" gelöst. Stört das? Eigentlich nicht!
Die E-Gitarren-Musik im Spiel ist vortrefflich, aber eigentlich schalte ich sie immer während des Rennens ab, weil ich mich lieber auf die Strecke und das Geschehen auf der Straße konzentriere. Das bleibt aber natürlich jedem selbst überlassen, wer jedoch die Kuschelrock-Untermalung beim Replay nicht mag, bekommt von mir persönlich einen Kinnhaken ;-)

Fazit
Euch sollte bei diesem einzigartigen Titel wirklich bewusst sein, was für ein Spiel euch erwartet und ich denke, ich habe das deutlich genug rüber gebracht. Wenn man es sehr übertrieben ausdrücken will, könnte man sogar sagen, dass F355 kein Spiel, sondern ein reiner Simulator ist. Bei diesem Game heißt es nicht "Das Spiel richtet sich nach dem Spieler.", sondern knallhart "Der Spieler hat sich nach dem Spiel zu richten!".

Für Motorsport-Freaks stellt Yu Suzukis Meisterwerk aber die Erfüllung schlechthin dar und wird mit einem dazugehörigen Lenkrad garantiert für viele Stunden heißer Asphaltaction sorgen. Vorausgesetzt ihr nennt eine NTSC-Konsole euer eigen, denn das Spiel läuft auf modifizierten PAL-Dreamcasts ohne VGA-Box leider um 17% langsamer.


Wertung

Grafik: 9 von 10
Sound: 9 von 10
Gameplay: 10 von 10
Motivation: 9,5 von 10

Spielspaß: 9,5/10

 



© 1999/2000/2001/2002 Markus Girg